Aktien Blog 2022Ansichten eines Aktienanlegers
Dreimal nach oben: Apple, Microsoft, Google. Die Unterschiede liegen im sichtbaren Detail.

Lage & Szenarien vom 7.5.2023

Es geht bergauf

Von Frank Sauerland

Deutschland stürzt ab. Um 10,7 Prozent fiel der Auftragseingang der deutschen Industrie im März. Das gab das Statistische Bundesamt am Freitag bekannt. Es ist der stärkste Rückgang seit der Corona-Pandemie. Ökonomen hatten lediglich einen Rückgang um 2,2 Prozent erwartet.

In die USA exportierten deutsche Unternehmen im März 10,9 Prozent weniger als im Vormonat; die Ausfuhren nach China sanken um 9,3 Prozent im Vergleich zum Vormonat.

Deutsche Unternehmer beklagen hohe Energiepreise, hohe Steuern und eine ausufernde Bürokratie, sie lenken Investitionen ins Ausland um. Die Nachrichten kann ich als Anzeichen einer beginnenden Deindustrialisierung Deutschlands begreifen. Die USA locken deutsche Unternehmen mit „Ansiedlungsprämien”, gespeist aus dem Inflation Reduction Act.

US-Wirtschaft vor Rezession

Dabei stehen auch die USA nicht ohne Probleme da. Die Supermacht kämpft um ihren Status, die Wirtschaft ächzt:

  • Eine Bankenkrise frisst sich durchs System. Zuerst ging die Silicon Valley Bank unter. Die First Republic legte dann vergangenes Wochenende die zweitgrößte Bankenpleite der US-Geschichte hin. Auch die Signature Bank kam unter die Räder. - Ich erinnere mich, dass die Finanzkrise 2008 mit wenigen Bankpleiten begann ... weitere tröpfelten herein … dann wurden es immer mehr …
  • Die staatlich verordnete Schuldenobergrenze rückt in den USA näher. Einigen sich die verfeindeten Demokraten und Republikaner nicht bis zum 1. Juni, droht die Staatspleite.
  • Die Inflation ist weiterhin viel zu hoch. Gleichzeitig droht eine Rezession.

So, wer bis hierhin gelesen hat, der ist deprimiert. Er will nur noch auf eine Insel und sich die Decke über den Kopf ziehen.

Gut so.

Das dürfte nämlich das Gefühl der Mehrheit der Anleger sein, und die Mehrheit liegt am Aktienmarkt oft falsch. Weil immer die Minderheit das Produkt oder die Ansicht hat, welche die Mehrheit als nächstes haben will.

Als Privatanleger ist es meine Aufgabe, mir des Mechanismus’ bewusst zu sein, Nachrichten und Expertenmeinungen daraufhin abzuklopfen. Ich kann übrigens auch eine Abkürzung nehmen, wenn mir der Gedankengang zu verknotet ist: Ich kann auf die nackten Kurse schauen. Sie sprechen Wahrheit. Sie brauchen keine weiteren Analystenmeinungen.

Aktienkurse sprechen Wahrheit 

Oben zu sehen sind die Kursverläufe von Apple (AAPL, Linie), Microsoft (MSFT, Linie) und Google (GOOGL, Stäbchen). Es sind drei der größten börsennotierten Unternehmen der Erde; sie sind in den USA beheimatet. Das Chartbild startet links mit dem Jahresanfang, notiert ist jeder Handelstag bis zum letzten Freitag, 5.5.2023. Google erreicht einen Kursgewinn von 22 Prozent. Microsoft liegt bei gut 28 Prozent. Apple reißt es nach den freitäglichen guten Geschäftszahlen auf einen Jahreszugewinn von 34 Prozent hinauf. Die Kurse sind Abbilder von Knappheiten. Mehr Anleger wollen Anteile von diesen Unternehmen, weniger Anleger wollen sie abgeben (plakativ gesprochen). Die einen geben nicht ab, weil sie mehr Gewinne erwarten. Die anderen wollen die Aktien haben, weil sie auch mehr Gewinne erwarten. Folglich steigt der Kurs, und ich bin gut beraten, nicht schlauer sein zu wollen als der Marktanzeiger.

Der Chart hat noch mehr zu bieten, wenn ich Zeit habe für einen zweiten Blick.

  • Google ist am uninteressantesten von den drei Werten. Die Aktie erreichte im Februar ihren Hochpunkt, ging zurück, tändelt nun seitwärts. Der Markt ist schlau, die Googleaner ratlos, Details im gestrigen WSJ.
  • Microsoft setzt auf AI und Google damit mächtig unter Druck. Die Story des ewigen Suchmachinenzweiten Microsoft-Bing, der jetzt - AI-gepimpt - zum Google-Überholmanöver ansetzt, regt die Fantasie der Investoren an. Sie lieben gute Geschichten. Wir alle lieben sie.
  • Steve Jobs starb und Anleger fragten sich, ob Apple ohne sein Genie überleben würde. Mittlerweile kann man sagen: Erfolgreich modelte Tim Cook das Unternehmen Apple, diese ganz auf Steve Jobs zugeschnittene Genie-Schmiede, zur geölten Gewinnmaschine Apple um. Erhalten geblieben sind bei der Umoperation der Apple-Kultfaktor und das seit jeher überragende Marketing. Das ist eine Meisterleistung von Cook und dem Unternehmen, und Anleger erkennen das: Von den drei Kandidaten zeigt Apple den gleichmäßigsten Kursanstieg.

Wie passen solche fantastischen Charts zu den Depri-Nachrichten, mit denen ich oben begann?

Apples Aussichten und Biden Beitrag

Sie passen perfekt. Im November 2024 wird der nächste US-Präsident gewählt. Das Letzte, was der amtierende Präsident jetzt braucht, ist eine Rezession, wie sie gerade in Deutschland herbeigeplant wird. Denn in den USA bedeutete eine Rezession, welche sich in den 18 Monaten vor einer Wahl materialisierte: Die Opposition wird die Wahl gewinnen. Seit dem Ende des 2. Weltkriegs gilt die Rezessionsregel:

  • 1960 gewann Kennedy gegen Nixon.
  • 1980 gewann Reagan, Carter verlor.
  • 2008 stach Obama den Kandidaten McCain aus.
  • 2020 schlug Biden Amtsinhaber Trump.

Biden wird die Regel kennen. Falls er sich nicht erinnert: Seine Berater werden sie ihm flüstern. Er soll wiedergewählt, eine Neuauflage der Trump-Präsidentschaft verhindert werden. Entsprechend wird die US-Wirtschaftspolitik in den kommenden Monaten ausgerichtet sein, also nicht zum Schaden der US-Konsumenten und mit Auswirkungen auf den US-Aktienmarkt (der für mich als Privatanleger wichtig ist).

Der entscheidende Akteur im Großen Spiel ist Fed-Chef Jerome Powell. Der Vorsitzende der US-Zentralbank ist Republikaner wie Trump … Doch was bedeutet das?

Kaum wird Powell deswegen eine Rezession herbeizinsen wollen, also die Zentralbankzinsen immer weiter anheben, um die Inflation zu bekämpfen und Banken krachen zu lassen. Powell wird nach Möglichkeit vermeiden, in die Geschichte als derjenige einzugehen, der das mürbe Finanzsystem endgültig sprengte. Für mich ist wahrscheinlich, dass die Fed den aktuellen Zinserhöhungszyklus stattdessen auslaufen lassen wird und zwar ohne davon groß Aufhebens zu machen. Eine gewisse Inflation wird Powell akzeptieren. Hauptsache, die Wirtschaft läuft und die Konsumenten sind zufrieden und die Banken überleben.

Biden und Powell ziehen an einem Strang. Mit Wahrscheinlichkeit gilt bei solcher Lage das Szenario: Es geht bergauf, auch wenn - oder weil - die Aussichten deprimierend sind.

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