
Lage & Szenarien vom 30.4.2023
Was Nichtstun einbringt
Von Frank Sauerland
Die abgelaufene Börsenwoche war voller Aufgeregtheiten. Doch diese verschwinden bereits im Nebel der Vergangenheit. Milchige Umrisse sind noch zu erkennen, für Details müsste ich schon die Augen zusammenkneifen. Das kann ich mir sparen; letztlich tupften die Aufgeregtheiten - rückblickend gesehen - dem großen Börsenbild nur Details hinzu. Um Börsenlage und Szenario zu justieren, reicht es mir, den Chart vom letzten Sonntag hervorzuziehen.
Welchen ich bereits am Sonntag davor benutzte. Ich gehe also in die dritte Wiederholung … Letzten Sonntag betrachtete ich den zu dem Zeitpunkt aktuellen Freitagsschlusskurs des US-Aktienleitindex’ S+P 500, er lag bei 4133 Dollar, und ich machte dort im Chartbild (siehe oben) einen roten Punkt — im Vergleich zum Vorwochenfreitagsschlusskurs hatte sich wenig getan. Der Vorwochenfreitagsschlusskurs ist die letzte kleine Kerze im Chartbild, direkt über dem gebogenen Aufwärtspfeil.
Heute setze ich einen neuen Punkt und damit Abwechslung in das Bild hineinkommt, nehme ich dieses Mal die Farbe Blau. Der S+P 500 schließt am Freitag (28.4.2023) bei 4169 Dollar, blauer Punkt mit blauem Hinweispfeil.
Die Nachrichten der gerade abgelaufenen Woche, die vergangenen Aufgeregtheiten und die Börsenmeinungen streiche ich sämtlich weg; es bleiben die nackten Fakten, also die Kurse.
Was sehe ich?
Ich sehe einen sanften Aufwärtstrend, welchen der kleine gebogene Pfeil unter den Stäbchen vor drei Wochen als Möglichkeit, nicht als Vorhersage, andeutete. Was habe ich als chartwiederholender Anlagen-Nichtstuer seitdem erreicht?
Da gibt es Erfreuliches zu berichten.
- Als uninvestierter Nichtstuer habe ich nicht viel verpasst, schon gar keine Rallye. Ich habe meine Nerven geschont, da ich mir das Kurszittern, das Hin-und-Her der täglichen Aufgeregtheiten, erspart habe.
- Als investierter Nichtstuer freue ich mich über moderate Kursgewinne.
Natürlich ist der investierte Nichtstuer, schnöde pekuniär betrachtet, etwas besser gefahren. Das hat er sich verdient. Er hat akzeptiert, dass er die Zukunft nicht kennt. Er investierte und hielt in das Unbekannte hinein. Nicht als Hasardeur, sondern mit kalkuliertem und damit beherrschbarem Risiko, er wägte Wahrscheinlichkeiten. So kann es weitergehen bei mittelfristig orientiertem Handelsstil:
- Der blasierte Nichtstuer nimmt jeweils nach freitäglichem Handelsende den Chart, tariert erneut die Wahrscheinlichkeiten aus und entscheidet. Ansonsten kümmert er sich die Woche über nicht weiter um die Börse; es gibt Wichtigeres. Nächsten Freitag wird erneut geschaut und geurteilt.
- Der informierte Nichtstuer nimmt ebenfalls jeweils nach freitäglichem Handelsende den Chart, wägt erneut Wahrscheinlichkeiten und entscheidet. Aber er lässt sich auch gern unterhalten vom börsentäglichen Welttheater, um eventuell, in Ausnahmefällen, vorzeitig eingreifen zu können:
Börsenbeobachter erwarten, dass die US-Notenbank Fed am kommenden Mittwoch die Zinsen um weitere 0,25 Prozentpunkte erhöhen wird. Die EZB könnte ebenso am Mittwoch eine erneute Zinsentscheidung fällen. 0,25 Prozentpunkte gelten als wahrscheinlich, auch 0,5 Punkte werden für möglich gehalten. Um diese Kristallisationspunkte der Börsenwoche werden sich Meinungen von Aktienstrategen, Chefanalysten und Boutiquenverkäufern anlagern.
Auch wenn der informierte Anleger, welcher in den vergangenen Wochen wenig unternahm, da die Börse wenig Gründe für Taten lieferte, die Expertenmeinungen tapfer unbeachtet lässt, wird ihm, da er das tägliche Geschehen verfolgt, kaum etwas anderes übrig bleiben, als fortgesetzt an seiner Fähigkeit zu arbeiten, eigenständig beurteilen zu können, wann die tägliche Börsenreaktion auf eine Marktinformation so tiefgreifend ist, dass sie nicht länger nur als Kurszittern zu klassifizieren ist, sondern einen wahrscheinlichen Trendwechsel signalisiert.
Als tatsächlicher Trendwechselerkenner hat er, der informierte Nichtstuer, einen Vorteil, da er „früher” reagiert als derjenige, der nur einmal am Wochenende auf die Kurse schaut. Ob solch ein Vorteil, der aus täglicher Börsenbetrachtung erwachsen kann, wichtig ist? Das ist eine Abwägungs- und Interessenfrage.
Regelmäßig am Sonntagvormittag vor der anbrechenden Handelswoche schreibe und verschicke ich die kleine Marktvorbereitung Lage & Szenarien → hier auf meinem privaten Emailverteiler eintragen und Lage & Szenarien am Sonntagmorgen im eigenen Email-Postfach haben. — Lebenspraktischer Hinweis für Inhaber eines Email-Accounts von T-Online oder GMX: Die zwei Anbieter unterlassen es in den meisten Fällen, meine automatische Bestätigungsmail auf deine Newsletteranmeldung in dein Email-Postfach zu legen. Ohne einen Klick deinerseits auf den Button in der (nicht zugestellten) Bestätigungsmail bist du nicht auf meinem privaten Verteiler, erhältst kein sonntägliches Lage & Szenarien. Bitte melde dich in solch einem Fall formlos per Email bei mir, ich setze dich von Hand auf die Liste.