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Die Bank als Burg: Hier ist das Geld sicher.

Lage & Szenarien vom 26.3.2023

Die Bank und das Vertrauen

Von Frank Sauerland

Das Foto zeigt eine Geldburg, gebaut aus Stein und Glas und Metall. Zwei kleine Türen riskiert die Burg, damit Kunden hinein gelangen können. Einwohner des Provinzstädtchens kritisieren das Aussehen der Sparkasse. Unbewusst jedoch verstehen sie es, gerade deswegen sind sie Kunden. Sie haben ihr Geld in die Burg gebracht. Dort ist es sicher. Eine Burg flößt Vertrauen ein.

Einer der großen Feinde jeder Burg ist das Feuer.

„Es greift rapid um sich; es ist ansteckend und unersättlich; es kann überall entstehen, sehr plötzlich; es ist zerstörend”, charakterisiert Elias Canetti, der Analyst der Massen, das Feuer und vergleicht es mit Menschenmassen: „Alle diese Eigenschaften des Feuers sind die der Masse.” Feuer und Massen gleichen sich, sie greifen „mit der größten Heftigkeit um sich. Ihrer Ansteckung können wenige widerstehen.”

Vorletzte Woche loderte es bei der Silicon Valley Bank, dann bei der First Republik, letztes Wochenende bei der Credit Suisse. Das Vertrauen brannte, Kundenmassen flohen, zogen Geldmassen ab. „Masse kann überall entstehen, wo Menschen beisammen sind, ihre Spontaneität und Plötzlichkeit sind unheimlich”, so Canetti. „Die Masse kann zerstörend sein. Sie sucht sich einen Feind.” Der neue heißt: Deutsche Bank.

Deutsche Bank: Kurs bricht ein

Am Freitag brach der Kurs der deutschen Vorzeigebank zeitweise um über 10 Prozent ein, erholte sich zögernd und schloss in New York schließlich mit einem moderaten 3-Prozent-Minus. Im Tagesverlauf hatte sich der deutsche Kanzler genötigt gesehen, vor der Weltöffentlichkeit beruhigende Worte zu der Bank, die den Namen seines Landes trägt, zu äußern — ein beispielloser Vorgang.

Er war nötig und das beunruhigt: Die Masse dachte an den gerade erlebten Untergang einer anderen großen europäischen Bank, der Credit Suisse. Das Vertrauen brannte bereits, und die Masse fing an zu verkaufen. Das Wall Street Journal berichtet, dass die Erwähnung der Deutschen Bank in den sozialen Medien hochgeschossen sei, auf ein ähnliches Niveau wie bei der Credit Suisse vor ihrem Zusammenbruch.

Das Wochenende rettet nun — und der Kanzler. Die Masse zerstreut sich, Individuen kommen zu Verstand, internationale Analysten melden sich und erklären ihr Unverständnis über den Kursabsturz der Deutschen Bank, sie hätten keinen Zweifel an der Lebensfähigkeit der Bank.

Ich auch nicht.

„Das Feuer ist zerstörend; es kann bekämpft und gezähmt werden; es erlischt. Es hat einen elementaren Gegner, das Wasser, das sich ihm in Gestalt von Flüssen und Wolkenbrüchen entgegenstellt”, schreibt Canetti. Die Deutsche Bank ist zu groß, um sie abbrennen zu lassen; aber sie ist nicht zu groß, um nicht mehr gerettet werden zu können. „Whatever it takes”, sagte Mario Draghi, als er Chef der Europäischen Zentralbank war und Ähnliches würde wohl der jetzige Chef, Frau Lagarde, erklären und die Fluttore öffnen. Zentralbankgeld ist das Wasser des Finanzsystems, ist genug davon da, dann löscht es.

Christine Lagarde wird die Fluttore nicht zu öffnen brauchen, denn alle wissen, dass sie es könnte. Das reicht, die Masse bleibt zerstreut, sie wird einen neuen Gegner finden, vor dem sie sich sammelt. - Als privater Investor versuche ich, mich abseits der Masse zu halten, indem ich auf den Chart schaue, der die Vergangenheit objektiv notiert und mir damit eine Lage vermittelt:

VIX: Der Kursschwankungsbreiten-Index gibt gute Hinweise.

Zu sehen ist der deutsche Leitindex DAX, in welchem unter anderem die Deutsche Bank enthalten ist. Der DAX informiert mich über den Zustand der hiesigen Wirtschaft, durchaus auch über den europäischen Wirtschaftsraum, und die Verfassung des DAX’ ist ein wichtiges Element für das Szenario, wie ich mich als Privatinvestor verhalte.

DAX-Zustand Ende März 2023

Der DAX erreicht im Bild seinen Hochpunkt kurz nach dem Jahreswechsel 2022. Die Tagesstäbchen fallen tief in den März 2022 hinein, Putin marschiert auf Kiew. Der Index erholt sich, fällt bis in den Oktober, dort ist das finale Tief des Bildes und nun, da die Anleger entnervt verkauft haben, kommt der Wiederaufstieg. Mit dem Jahreswechsel 2022/23 wird es richtig interessant. Ich habe für 2023 Volumenbalken eingeblendet. Sie zeigen für das aktuelle Jahr an, wie hoch das Handelsvolumen auf dem jeweiligen Kursniveau bisher war. Der lange Strich verdeutlicht das höchste Volumen. Die gepunktete Linie markiert den Kurs vom freitäglichen Handelsschluss. Dieser Kurs wurde im vorigen Jahr im März und fast im April erreicht, dann wieder im Januar diesen Jahres. Der DAX liegt unterhalb seines höchsten 2023er-Volumens. Die Volumenbalken unterhalb des jetzigen Kursniveaus sind kurz. Viele Anleger, die erst vor kurzem investierten, erlitten Verluste, wenn der DAX weiter Schwäche zeigte. Verluste schmerzen, Schmerzen werden gern vermieden, so besteht hier eine Abwärtsgefahr. Sollte der DAX unter die jetzige Linie fallen, kann weitere Schwäche die Folge sein. Zum DAX-Zustand passen Meldungen über sinkende Auftragseingänge und ein fallender Einkaufs­managerindex.

Schaue ich mir das Bild aus Sicht internationaler Investoren an, wird ein Trend sichtbar:

Russell 2000: Anzeiger der kleineren Aktienunternehmen in den USA - aufschlussreich ...

Das ist der iShares Germany Index Fund, er wird in Dollar notiert, ermöglicht mir eine Sicht auf den deutschen Markt „von außen”. Die Mehrzahl der DAX-Investoren sitzt im Ausland. Der sachte Abwärtstrend im aktuellen Jahr ist unverkennbar. Zu kurz- bis mittelfristigen Neu-Engagements drängt es mich hier derzeit nicht.

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