
Lage & Szenarien vom 18.9.2022
Der Timing-Anzeiger
Von Frank Sauerland
Auch Aktien kennen Jahreszeiten. Jetzt ist Herbstsaison. Es wird kurskalt. Der Chart oben zeigt den US-Index Nasdaq 100 auf spezielle Weise aufbereitet und der Pfeil weist auf den Punkt, auf welchen wir uns laut diesem Chart in den nächsten Tagen hinbewegen werden. Der Chart dient sich als Timing-Anzeiger an, das heißt er will helfen, den richtigen Moment für einen Aktienkauf zu finden. Ich hatte letzte Woche den Timing-Anzeiger kurz angesprochen, als ich auf die Aufwärtsschere hinwies, die anzeigt, was mit Wahrscheinlichkeit passieren wird, wenn die Kurse sich nach oben in Bewegung setzen.
Der Timing-Anzeiger und die Aufwärtsschere bilden ein gutes Package, um ein begründetes Szenario zu kreieren. Zuvor knapp zur Lage:
Sie ist schlecht. Am Freitag (16.9.22), dem bislang letzten Handelstag, schoss eine Nachricht des großen Transportunternehmens FedEx den bereits angeschlagenen Markt an der Wallstreet endgültig ab. FedEx warnte vor einem scharfen Rückgang beim Paketaufkommen. Investoren schlossen messerscharf, dass es dann wohl um die Weltwirtschaft insgesamt schlecht bestellt sein müsse.
Dazu noch werden die Investoren immer wieder von US-Zentralbankchef Jerome Powell daran erinnert, dass er die Zinsen weiterhin erhöhen wolle … Lust auf Aktien machte das alles nicht. Also wurde verkauft. FedEx verlor historische 21 Prozent, der marktbreite S+P 500 schloss mit einem Minus von 0,9 Prozent bei einem Wochenverlust von 4,7 und einem Monatsverlust von schmerzhaften 8 Prozent.
Die Anlegerstimmung ist am Boden. Schaue ich mir das Chartbild oben an, so passt alles zusammen. Dort gezeigt ist wie gesagt der Nadaq 100, welcher sich auf die 100 größten US-Aktienunternehmen konzentriert, wobei Bankaktien außen vor bleiben.
Der Chart zeigt den Kursverlauf des Index’ im Durchschnitt der vergangenen 25 Jahre. Zusätzlich ist er „de-trended”, das bedeutet übergeordnete Trends wurden herausgerechnet. Ob der Index in einem Jahr insgesamt eher nach oben ging oder nach unten, das spielt in dem Bild keine Rolle mehr, es bleibt der nackte, jahreszeitliche Trend übrig. Zu sehen ist das daran, dass der Chart links bei dem Wert 100 beginnt und rechts exakt wieder bei 100 aus dem Durchschnittsjahr herausgeht.
Ob De-Trending Sinn macht, ob ein 25-jähriger Durchschnittschart Sinn macht, das ist eine interessante Frage. Für meinen Geschmack sind wir dicht dran an Finanz-Esoterik. Wobei Esoterik einen auf den Pfad zu tieferer Wahrheit bringen kann oder zu höherer Scharlatanerie.
Das bedeutet: Ich sehe hier vermittels allerlei Durchschnitts- und Rausrechnerei einen Schatten des Marktes. Ein Schatten, ob durch ein Lagerfeuer auf eine steinzeitliche Felswand projiziert oder mit Statistikoperationen auf einen Funktionsgraph mit x- und y-Achsen, er kann Umrisse verdeutlichen, die im vollen Licht der Gegenwart übersehen werden. Er kann aber auch Zusammenhänge nahelegen, wo keine sind oder die völlig anders sind. So mag ein Kind sich vor dem Schattenriss eines Wolfskopfes an der Wand erschrecken, dabei formt die Mutter vor der Lampe mit zwei Händen nur die Illusion des Wolfes.
Der 25-Jahre-Durchschnittschart, den ich mit freundlicher Genehmigung von Seasonax verwenden darf, beginnt im Januar am Hochpunkt und seitdem geht es abwärts. Der Chart zeigt damit ziemlich genau den Verlauf auch des diesjährigen Marktes bis zum vorgestrigen Freitag an. Selbst der verstärkte Abwärtstrend, welchen wir im aktuellen September erleben, ist bisher erstaunlich präzise abgebildet.
Der September ist traditionell ein ebenso turbulenter wie schlechter Monat für Aktien. So gesehen erleben wir gerade Normalität. Der Tiefpunkt, so verheißt der Chart, wird in den nächsten zehn Tagen erreicht. Dorthin habe ich meinen Pfeil gesetzt. Dann folgt die Wiederauferstehung des Marktes, und der Hochpunkt wird bereits im Dezember erreicht, behauptet der Chart. Die meisten Anleger würden einen solchen Aufschwung wohl verpassen, da sie den mentalen Schalter nicht rechtzeitig umlegen können. Sie bleiben gefangen in der Welt der Baisse.
Seit Jahresanfang dauert diese an. Jede Zwischenerholung, auch die verheißungsvolle Sommerrallye, entpuppte sich als Falle. Die Aufwärtsschere und der Timing-Chart geben einen Hinweis, wann und wie der Markt sich hurtig verändern kann. Da ich am heutigen Sonntagmorgen nicht beurteilen mag, ob die Chart-Schatten tiefere Wahrheit oder höhere Illusion zeigen, bleibt mir, mich vorzutasten, um entschlossen zu reagieren, sobald der Charakter des Schattens hinreichend deutlich wird. Das ist für mich die Botschaft des Packages: das als wahrscheinlich angenommene Szenario im Blick haben, vortasten, entschlossen reagieren.
Am Mittwoch spricht Fed-Vorsitzender Jerome Powell. Der Herr der US-Zinsen kann den Markt bewegen.
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