
Lage & Szenarien vom 3.7.2022
Die Smarten warten
Von Frank Sauerland
Sommer 2022 in Bremerhaven: Die Blechplankenverkleidung des Parkhauses hat Lücken und ermöglicht den Blick hinaus auf zwei Containerbrücken des Überseehafens. Ein Spreader, ganz klein im Bild, kommt frei von einem gerade abgestellten Container und saust nach oben. Draußen flirrt die Mittagshitze, im Parkhaus ist es kühl.
Das Bild ist auch Symbol. Die Wirtschaft brummt, der Investor parkt und wartet. An der Börse ist wenig zu holen aus Gründen, die andere und ich seit Wochen aufgeschrieben haben.
An dieser Stelle kann der eilige Leser die Lektüre bereits beenden, einen ähnlichen Hinweis gab ich schon letzten Sonntag … Ist das Depot defensiv aufgestellt oder auf Kernpositionen abgeschmolzen, bleibt wenig zu tun. Man parkt mit kühlem Kopf und schaut zu, wie die Wirtschaft noch brummt und die Börsenhitze den ein oder anderen Handelshektiker zum Schwitzen bringt.
Das erste Halbjahr 2022 ist zu Ende und ergab für Aktien im marktrepräsentativen Index S+P 500 einen Verlust von 20 Prozent, was der schlechteste Halbjahreswert seit 1962 ist. Gewinner des Jahres waren bisher die Öl- und Gaswerte, auch Rüstungsaktien verzeichneten steigende Kurse. Verlierer waren die Tech-Aktien, die im Jahr zuvor angesagt waren.
Die US-Zentralbank Fed bekämpft die gestiegene Inflation, indem sie die Zinsen erhöht; hier sind aktuell interessante Beobachtungen zu machen: Die Zinserhöhungen könnten Wirkung zeigen. In den USA mehren sich Anzeichen, dass die Inflation sich abschwächt. Die Fed bezieht sich oft auf den Core PCE Price Index, welcher die Bereiche Ernährung und Energie bei der Inflationsberechnung außen vor lässt. Der PCE Index fällt von 5,3 auf jetzt 4,7 Prozent. Mais-, Weizen- und Sojabohnenpreise haben seit ihrem Preishöchststand gute 20 Prozent verloren. In Nordamerika werden Häuser häufig aus Holz gebaut. Den Holzpreis kann ich als Stimmungs-, Konjunktur- und Inflationsanzeiger begreifen. Der Holzfuture LBS ist seit seinem Hochpunkt im März um 50 Prozent zurückgekommen.
Es ist also Licht am Ende des Inflationtunnels, und es ist nicht das Licht eines entgegenkommenden Zuges. Die Fed meint es ernst beim Kampf gegen die Inflation, und sie nimmt eine sich abkühlende Wirtschaft in Kauf. Sie strebt jedoch ein „soft landing” an, das heißt Fed-Chef Powell wird sich bei weiteren Zinserhöhungen zurücknehmen, sobald der Inflationsdruck nachlässt. Eine abkühlende Konjunktur wird allerdings auch die Aktienunternehmen bei ihren Ausblicken vorsichtiger werden lassen, was den mageren Aktienkursen kaum aufhelfen wird.
So ist es für mich das Ratsamste abzuwarten. Ein derart schwacher Aktienmarkt, seit einem halben Jahr im Rückwärtsgang, bei kleineren Werten sogar seit weit über einem Jahr, der dreht nicht an einigen heißen Sommertagen um 180 Grad und rennt nach oben. Ich verpasse nichts, wenn ich warte und zuschaue, wie die Dinge sich entwickeln.
Immer sonntags vor der anbrechenden Handelswoche schreibe und verschicke ich die kleine Marktvorbereitung Lage & Szenarien → hier auf meinem privaten Emailverteiler eintragen und Lage & Szenarien am Sonntagmorgen im eigenen Email-Postfach haben. — Lebenspraktischer Hinweis für Inhaber eines Email-Accounts von T-Online oder GMX: Die zwei Anbieter unterlassen es in den meisten Fällen, meine automatische Bestätigungsmail auf deine Newsletteranmeldung in dein Email-Postfach zu legen. Ohne einen Klick deinerseits auf den Button in der (nicht zugestellten) Bestätigungsmail bist du nicht auf meinem privaten Verteiler, erhältst kein sonntägliches Lage & Szenarien. Bitte melde dich in solch einem Fall formlos per Email bei mir, ich setze dich von Hand auf die Liste.