Aktien Blog 2022Ansichten eines Aktienanlegers
Market-Map des S+P 500: Die Größe der Vierecke symbolisiert die Marktkapitalisierung der Unternehmen.

Lage & Szenarien vom 8.5.2022

Die Brösel-Börse

Von Frank Sauerland

Der Aktienmarkt macht Fortschritte. Leider in die falsche Richtung. — Letzten Sonntag schrieb ich: „Die Lage ist einfach. Einfach katastrophal.” Heute, einen Tag vor Beginn der neuen Börsenwoche, sind wir weiter: Die Lage ist katastrophaler. Damit allerdings noch einfacher.

In den USA ist der marktbreite Index S+P 500 mit Handelsschluss Freitag fünf Wochen hintereinander gefallen. Das kommt selten vor, und ist für Anleger, welche in Börsenboomzeiten nach der Pandemie hinzugekommen sind, eine neue Erfahrung.

Der altehrwürdige Dow Jones Industrial-Index nahm sechs Wochen in Folge Kursverluste hin. Der technologie-fokussierte Nasdaq Composite-Index verlor fünf Wochen nacheinander mindestens ein Prozent.

In vielen der Einzelwerte des Nadaq-Index’ sind überdurchschnittlich börseninteressierte Privatanleger exponiert. Sie spüren die Schmerzen, welche Verluste verursachen. Das ist an einschlägigen Stimmungsbarometern abzulesen. Wir Privatanleger sind aber nicht die einzigen, bei denen die Stimmung schlecht ist. Auch die Zuversicht institutioneller Anleger ist am Boden. Was in der Gesamtsicht ein Argument dafür zu sein scheint, dass der Ausverkauf an einem Ende angekommen ist.

So ist es jedoch nicht.

In Folge der Covid-Pandemie stützten Zentralbanken mit frischem Geld Wirtschaft und Staaten. Die Folge ist nun eine erhöhte Inflation und die US-Zentralbank Fed hat angekündigt, deswegen die Zinsen zu erhöhen. Ein Teil des frischen Geldes soll wieder eingesammelt werden.

Das mögen die Börsen nicht, da viel von dem Geld in Aktien gesteckt wurde. Trocknet der Geldzufluss aus, sinkt die Aktiennachfrage und die Kurse fallen.

Das taten sie in der abgelaufenen Woche bis zum Mittwochabend. Dann trat Fed-Chef Jerome Powell auf und erläuterte öffentlich und in gesetzten Worten, wie die Fed bei den nächsten Zinserhöhungen vorzugehen gedenke.

Die Märkte feierten Powell. Der Mann machte alles richtig, er erklärte und vermittelte Zuversicht. Die Kurse schossen hoch, und der ein oder andere Anleger mag sich Angstschweiß von der Stirn getupft haben: Es ist noch mal gutgegangen.

War es aber nicht. Die Kursgewinne bröselten weg. Bröselten Donnerstag stark und Freitag weiter. Verständlich ist das. Die Geldmenge in den USA, der führenden Wirtschaftsmacht der Erde, ist in den letzten drei Jahren durch Politik und Fed um außergewöhnliche 50 Prozent ausgeweitet worden. Das ist es, was an den Börsen 2020 und 2021 gefeiert wurde. Die Gewinne von Unternehmen, Amateur- und Profianlegern waren nicht Ergebnis eigener Überdurchschnittlichkeit oder Genialität, sondern kamen aus der Notenpresse. 1973 und 1977/78 war es ähnlich, damals stieg die Geldmenge in den USA um 40 Prozent. Ebenfalls, wie heute, schoss damals die Inflation hoch; die Fed steuerte gegen, die Rezessionen 1973 bis 1975 sowie 1980 und 1981/82 waren die Folge: Die Börsen bildeten sie ab, mit anderen Worten, sie kippten in einen Bärenmarkt.

Geschichte wiederholt sich nicht. Aber interessant ist sie schon. — So sehe ich zum Wochenbeginn gute Gründe dafür, dass es weiter abwärts gehen wird. Andererseits ist der Markt überverkauft. Was für eine Kurserholung spricht. Äh, ja was denn nun?

Donnerstag und Freitag schwangen einzelne Kurse kräftig hin und her: Das heißt, auch Profi-Börsianer wissen nicht, wie es weitergehen wird. Letztlich entsteht daraus eine einfache Lage, und die Handlungs­empfehlung an mich selbst ist eindeutig: Wenn die Profis derart unsicher sind, warum sollte ich als Amateur Privatgeld auf dem rutschigen Börsenparkett riskieren. Und wenn ich etwas riskierte, dann bestimmt nicht in den gerade noch angesagten Bereichen von Big Tech à la Amazon, Facebook, Shopify. Deren große Zeit ist angesichts verknappender Geldzuflüsse vorerst vorbei.

Ein Greis aus Omaha hatte - wieder einmal - den richtigen Riecher. Der 91-jährige Wunderanleger Warren Buffett ließ Big Tech bei Neuinvestitionen links liegen und kaufte sich vor einigen Wochen für angeblich 40 Milliarden Dollar bei Occidental Petroleum und bei Chevron ein, einem der größten Ölkonzerne der Welt.

Warum er das machte? Öl ist doch so was von old fashioned? Nun, die Antwort gibt oben die Marktkarte des S+P 500. Die Karte summiert die Kursentwicklung der letzten Woche, die Kästen spiegeln die Größe der Unternehmen. Ich habe den Ölsektor mit einem Kringel versehen. Er ergrünt, politisch völlig inkorrekt. Buffett, der alte Knacker, ist natürlich bereits drin. Offensichtlich ist er vielen Jüngeren immer noch voraus.

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