Aktien Blog 2022Ansichten eines Aktienanlegers
Palo Alto Networks: Kurs dauerhaft über der 50-Wochen-Linie.

Lage & Szenarien vom 3.4.2022

In Sicherheit investieren

Von Frank Sauerland

Plötzlich wird uns bewusst, wie wichtig Sicherheit ist. — Der gerade niedergeschrieben Satz enthält drei Gewinnwortsignale.

PLÖTZLICH. - Plötzlich ist gut. Eine Dringlichkeit wird sichtbar. Eine Handlungsänderung ist erforderlich. Ein Bedarf entsteht. Um den Bedarf zu decken, wird auf einen vorrätigen Bestand zurückgegriffen. Zwangsläufig wird der Bestand abschmelzen und knapp werden. Der aufgeklärte Anleger versucht, einigermaßen rechtzeitig auf der Seite des nachgefragten Bestands zu stehen.

UNS. - Es betrifft uns; das plötzlich bewusst gewordene Problem ist dicht an uns dran. Das erhöht den Druck, eine Lösung zu finden.

SICHERHEIT. - Das ist das Thema der Anlageidee. Sicherheit ist ein starkes Thema. Denn Sicherheit ist eines der wichtigsten Anliegen menschlichen Lebens überhaupt.

Wir wollen Sicherheit für uns, für unsere Liebsten, für die Strukturen, in denen wir unser Leben verbringen. Einen großen Teil der Sicherheitsaufgaben haben wir in arbeitsteiligen, rechtsstaatlichen Gesellschaften delegiert an übergeordnete Institutionen. Wenn wir im Auto auf der Straße fahren, haben wir keine Machete auf dem Rücksitz liegen, um uns an der Raststätte gegen wahrscheinlich auflauernde Räuber zu verteidigen. Wir erwarten, dass die Abschreckung durch Polizei und staatliche Strafandrohung funktioniert, wir schätzen die Wahrscheinlichkeit als gering ein, dass Räuber auftauchen werden. Auch auf höherer Ebene, zwischen Staaten und Blöcken, sollte die Abschreckung funktionieren, das erwarten wir. Das glaubten wir.

Der Ukraine-Krieg ist Auslöser, das derzeitige Abschreckungs­versprechen zu überprüfen. Aktuelles öffentliches Urteil: Das staatliche Abschreckungs­versprechen hat die Prüfung nicht gut bestanden. Daher wird nachgerüstet. Das vom Kanzler in Aussicht gestellte „100 Milliarden Euro Sondervermögen Rüstung” ist in der Fantasie der Anleger allerdings bereits verteilt und in den Kursen einschlägiger Unternehmen verarbeitet.

Ähnlich wichtig wie Investitionen in rollenden Stahl und in Explosivstoffe - wenn auch weniger offensichtlich - sind Investitionen bei der Netz- und Computersicherheit. Anleger wissen, dass auf dem Gebiet Bedarf besteht: Firmen, Verwaltungen, Versorger müssen vor lauschenden Spionageangriffe und vor sabotierenden Computerviren geschützt werden. Jedoch ist es schwierig zu beurteilen, welche aktiennotierten Unternehmen dafür die richtigen Lösungen anbieten, wer also von Cybersecurity-Aufträgen profitieren wird. — Auf jeden Fall sind Cybersecurity-Aufträge lukrativ:

  • Der Bedarf tritt nicht nur punktuell auf, Jahr für Jahr muss die Cybersecurity aktualisiert werden.
  • Cybersicherheit gehört zur Spitze des technologischen Fortschritts. Software und Netzwerktechnik sind nicht nur Sicherheitsprodukte, sie sind Grundlagen für eine weiterentwickelte, immer lebenswertere Umwelt, ich hatte darüber letzten Sonntag geschrieben. Ein Panzer ist ein Panzer. Aber eine aktuelle Netzwerksoftware schützt nicht nur ein Kraftwerk, sie ist zugleich eine Grundlage dafür, dass ich eine Netflix-Serie in höherer Auflösung streamen kann. Ebenso ermöglicht sie es einem Wissenschaftlerteam, Forschungsdaten für ein E-Auto oder einen Fusionsreaktor oder eine Marsmission schneller zu generieren.
  • Investitionskosten für Softwarefirmen sind überschaubar. Keine teuren Produktionsmaschinen und Fabrikhallen müssen konstruiert und gebaut werden.

Wir erleben eine erneute Blockbildung. China und Russland fallen auch aus Kapitalsicherungsgründen für eine Mehrheit der „Westblock”-Anleger heraus. Das vereinfacht durch Auswahleinschränkung die Marktbeobachtung. Zugleich erhöht die offensichtliche Konkurrenzverknappung die mögliche Profitabilität der verbleibenden Anbieter.

Für mich sind auf dem Feld der Cybersicherheit drei Aktienunternehmen interessant. Palo Alto Networks ist ein amerikanischer IT-Sicherheitsanbieter. Die vor kurzem veröffentlichten Geschäftszahlen waren besser als erwartet. Das Szenario der Anleger: Palo Alto ist mit seinen Cloud- und Firewallprodukten zukunftsträchtig aufgestellt. — Im Chart oben sind Wochenkerzen zu sehen. Im abgebildeten Zeitraum geht es beständig aufwärts. Ich habe die 50-Wochen-Linie zur Orientierung eingeblendet. Die Linie glättet den Kursverlauf, indem sie die Kurse der jeweils abgelaufenen 50 Wochen zusammenzieht und den Durchschnitt errechnet. Dadurch reagiert die Linie träger als der eigentliche Kurs und verdeutlicht den Trend.

Zuletzt entfernt sich der Kurs von der Wochenlinie, der Trend beschleunigt sich also; der Kurs könnte nun zurückkommen, und dennoch wäre der Trend weiterhin intakt.

Zscaler: Zu sehen ist die 50-Wochen-Linie als Entscheidungshilfe.

Zscaler hatte in Zeiten der Corona-Pandemie als Anbieter von Cybersicherheit und als Betreiber von 150 Rechenzentren die richtigen Antworten für eine Gesellschaft, die sich in ihre Wohnungen zurückzog und online kommunizierte. Folgerichtig ist der Coronapanikmärz 2020 nur als kleiner Verschlucker im Chart sichtbar — und dann zündete die Kursrakete: Die Pandemieschubkraft reichte bis in den Spätherbst des letzen Jahres hinein. Dort war der Kipppunkt, die Pandemie war gefühlt vorbei, die Story auserzählt. Wir Anleger stehen auf Storys, sie regen unsere Fantasie an, sie geben uns Zuversicht. Jetzt beginnt eine neue Story. Nach dem Virus sind neue Bösewichter gefunden (jede gute Geschichte braucht gute Bösewichter) und prompt startet nach der Kriegsrede des russischen Präsidenten Ende Februar Zscalers Comeback. Die Comeback-Geschichte ist noch nicht auserzählt, noch lange nicht.

Cloudflare: Von der Übertreibung zur Kaufgelegenheit?

Der Chart von Cloudflare sieht vielversprechend aus, er hat einen anderen Charakter als die Charts von Zscaler und Palo Alto. Cloudflare bietet Clouddienste und Lösungen zur IT-Sicherheit an, betreibt Server und DNS-Dienste. — Die 50-Wochen-Linie macht sichtbar, wie der Kurs im Spätherbst des letzten Jahres die Bodenhaftung verliert und in den Fantasiehimmel schießt. Dann kommt der Absturz und zum Jahreswechsel schneidet der Kurs die 50-Wochen-Linie von oben her. Darunter findet er in den folgenden Wochen einen Boden. Nun durchstößt der Wochenkerzenkurs die Linie von unten nach oben: Der Markt hat beim Cloudflare-Kurs eine Übertreibung abgebaut, nimmt nun - angesichts der wirtschaftlichen und politischen Blockbildung - seinen Aufwärtstrend wieder auf. Das zumindest ist mein mittelfristiges Szenario.

Alle drei Unternehmen haben ihren Hauptsitz in Kalifornien. Als Anleger habe ich zu akzeptieren, dass zur Zeit dort das Zentrum der Westblock-Hochtechnologie liegt. Alternative Zentren etablieren können unternehmungslustige Unternehmer und strukturverändernde Politiker. Anleger, auf Suche nach Rendite, werden ihnen folgen. — Investitionen in Einzelaktien bringen ein erhöhtes Risiko. Für das Thema Cybersecurity sind mehrere breiter aufgestellte ETFs auf dem Markt, zum Beispiel der Wisdom Tree Cybersecurity; er enthält auch die drei besprochenen Aktien. Oder der First Trust Nasdaq Cybersecurity, welcher den Nasdaq Cybersecuritiy Index nachbildet.

Immer sonntags vor der anbrechenden Handelswoche schreibe und verschicke ich die kleine Marktvorbereitung Lage & Szenarienhier auf meinem privaten Emailverteiler eintragen und Lage & Szenarien am Sonntagmorgen im eigenen Email-Postfach haben. — Lebenspraktischer Hinweis für Inhaber eines Email-Accounts von T-Online oder GMX: Die zwei Anbieter unterlassen es in den meisten Fällen, meine automatische Bestätigungsmail auf deine Newsletteranmeldung in dein Email-Postfach zu legen. Ohne einen Klick deinerseits auf den Button in der (nicht zugestellten) Bestätigungsmail bist du nicht auf meinem privaten Verteiler, erhältst kein sonntägliches Lage & Szenarien. Bitte melde dich in solch einem Fall formlos per Email bei mir, ich setze dich von Hand auf die Liste.