
Lage & Szenarien vom 9.1.2022
Heiße Kartoffeln, verbrannte Finger
Von Frank Sauerland
Ups, sehen aus wie Kartoffeln. Die vier Kreise, die ich da in die Marktlage-Map des S+P 500 gezeichnet habe. Immerhin, Kartoffeln sind nahrhaft und schnell zu ernten. Wie die Erkenntnisse aus der Map und den ersten Handelstagen des Jahres:
Die S+P 500-Grafiken (freundlich bereitgestellt von Finviz) habe ich im Kurzfilm oben mit ihren Tagesschlusskursen der vergangenen Woche hintereinander gestellt, sie laufen in Endlosschleife immer wieder ab. Der S+P 500 ist ein Index, welcher die großen US-Aktienwerte versammelt, er dient mir als "Weltleitindex". Statt mich mit Prognosen, Politik und was auch immer zu beschäftigen, um herauszufriemeln, was der Aktienmarkt für mich als Privatinvestor im Jahr 2022 an Überraschungen bereithalten könnte (und es sowieso nicht herauszufinden), schaue ich mir den Markt selbst an.
Er verrät, was echte Investoren von der Zukunft denken, wohin sie ihr Geld lenken. — Also mitten hinein ins pralle, harte Echtgeldleben und die Kartoffeln geerntet …
1 - … und gleich mal die Finger verbrannt an der größten, heißesten Kartoffel der vergangenen Woche. Aua, das tut richtig weh: FANG-Aktien verkokeln gerade. FANG = Facebook, Amazon, Netflix, Google & Konsorten.
2 - Rechts, Energiesektor. Da geht was! Umweltsäue darunter natürlich, so findet mancher, Dreckschleudern. Aber … frieren will auch keiner, fahren möchte jeder, und die Regale bitte voll. Also wird über Umwelt geredet, Öl gefördert, Geld verdient.
3 - Die mächtigen Fed-Zentralbanker (USA) gaben letzte Woche zu Protokoll, was so an Besteck zur Verfügung stände, um die aufschießende Inflation im Zaum zu halten. Beziehungsweise, sie zeigten nur ein Zipfelchen davon, was zur Verfügung stände, überlegten nur, murmelten, und die Überlegungen (Zinsen, Tapering) sind auch schon ein paar Tage älter, man geruhte nur, sie jetzt nochmal Wort-für-Wort und in Schriftform vorzuzeigen — der Markt ist gleich in Aufregung und bei den Banken: Vorfreude. Deren Kurse gehen hoch, Zinsen sind schließlich ihr Geschäft.
4 - Beispiel für einen Still-und-heimlich-glücklich-Sektor: Bauernausrüstung & Schwermaschinen. Da wird nicht groß drüber geredet, das wird gebraucht, Kurse hoch. Warum sollte das nächste Woche anders sein oder übernächste Woche?
Das Gesamtbild der ersten Handelstage ist für mich eine Reaktion auf die Inflationsängste angesichts einer - zumindest für die Börsianer aus ihrer Wirtschaftssicht heraus - zu Ende gehenden Pandemie, einer brummenden US-Wirtschaft, Fast-Vollbeschäftigung und Lieferknappheiten. Die bisherigen Profiteure der Pandemie, die Online-Highflyer, werden abgestoßen, die enormen aufgelaufenden Kursgewinne gesichert.
Eine florierende Wirtschaft braucht Energie. Gas, Öl, Uran profitieren. — Insgesamt holpert der Markt noch, die Investoren sind unsicher, orientieren sich in neuer Landschaft. Zu erkennen ist das an den hin und her flackernden Farben im Kurzfilm. Denke ich mir eine Diagonale von links unten nach rechts oben, so springen Rot (= Verlust) und Grün (= Gewinn) mehrmals über die Diagonale vor und zurück, zumindest bei zusammengekniffenen Augen. Der Markt sucht die Richtung, große Geldbeweger und Einnorder von der Wallstreet kehren erst in der nun beginnenden Woche aus den Weihnachts- und Silvesterfreitagen zurück an ihre New Yorker Schreibtische.
Bei all der Flackerei sind für ruhige Investoren die kleinen, konstant grünen Still-und-heimlich-Sektoren spannend. Es gibt einige davon, ich habe unter „4” einen gezeigt. Während die großen Gewinnbringer des letzten Jahres tiefrot anlaufen, schonen die neuen Dauergrünen die Nerven und bringen Gewinne. Der Film lädt dazu ein, die Lupe herauszuholen und weitere Immer-grün-Sektoren der ersten Woche zu suchen. — Immer am Sonntag vor der nächsten Handelswoche schreibe und verschicke ich die kleine Marktvorbereitung Lage & Szenarien → hier auf meinem privaten Emailverteiler eintragen und Lage & Szenarien am Sonntagmorgen im eigenen Email-Postfach haben.